Ideologischer Wegbereiter des Nationalsozialismus darf durch die Stadt keine Anerkennung mehr erfahren

Rede von Ratsherr Jonas Christopher Höpken in der Ratssitzung vom 27.05.2024

Herr Ratsvorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir stimmen der Aberkennung der Ehrenbürgerwürde für Bernhard Winter ausdrücklich zu und sind froh, dass dies jetzt endlich beschlossen wird. 75 Jahre nach Verabschiedung des
Grundgesetzes mit seinem antifaschistischen Auftrag, seinen Grundrechten und seinem Diskriminierungsverbot wird dies wirklich höchste Zeit. Es ist kaum nachvollziehbar, warum dies nicht schon viel früher passiert ist, ja warum ihm diese Ehrenbürgerwürde noch 1965 zuerkannt wurde. Und warum ihm 1961 noch Theodor Heuss das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen hat. Zu erklären ist das nur mit extremer Ignoranz.

In Oldenburg herrschte damals in den 1960er Jahren noch ein ganz anderes Klima als in der heute sehr liberal geprägten Stadt. Es gab eine Heimatbewegung, die sich ganz unkritisch mit ihren Protagonisten identifizierte und die Augen verschloss gegenüber ihren Verstrickungen in die Nazi-Ideologie. Das galt für August Hinrichs; das galt für Bernhard Winter. Möglicherweise hat auch die Verquickung des Stadtmuseums mit der Bernhard-Winter-Stiftung ihren Teil dazu beigetragen. Führende Politiker auch aus mehreren Oldenburger Stadträten haben Bernhard Winter ohne Not immer wieder verteidigt – nicht nachvollziehbar aus heutiger Sicht. Bernhard Winter war schon lange vor der Gründung der NSDAP, erst recht lange vor der Machtergreifung ein überzeugter Rassist und Antisemit.

Ich will noch auf einen speziellen Aspekt hinweisen, der mich persönlich beschäftigt hat: Winter war wenigstens so konsequent, aus der evangelischen Kirche auszutreten und versuchte nicht, wie die Deutschen Christen, Jesus zu einem Arier zu machen, sondern er verachtete Jesus ganz offen wegen dessen jüdischer Identität und sah das Christentum als jüdisch versifft an. So zeichnete er 1920 ein Bild von Jesus mit langer Hakennase und nannte es „Germanisch-jüdisches süßliches Christusbild mit suggestivem Ausdruck (…)“ und kommentierte dies so: „Jesus wurde von dem jüdischen Apostel Paulus von einem jüdischen Sektenführer zu einem überstaatlichen Heiland gemacht, indem er für eine ihm folgende Priesterkaste die Unterlagen schuf, dass diese sich überstaatlich zur Macht bringen konnte, in dem sie dabei immer die jüdische Bildung förderte, dadurch, dass sie die mit List und Gewalt christianisierten Nichtjuden zur Unfähigkeit klaren Denkens von jung an dressierte, die natürliche volkliche Widerstandskraft zur lähmen versuchte und den Juden stets auch soweit schützte, dass dieser seine zersetzende Tätigkeit ausüben konnte.“ Dies ist Antisemitismus in Reinform. Winter warf den christlichen Kirchen auch an anderer Stelle vor, jüdisches Denken und damit ein Denken zu verbreiten, das mit dem Germanentum nicht vereinbar sei. Winter verachtete das in seinen Augen schwächliche jüdisch-christliche Gottesbild mit seiner Option für die Armen und Benachteiligten und schloss sich stattdessen dem Tannenbergbund an, der ein völkisch-germanisches Gottesbild vertrat und noch heute in dem vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften „Bund für deutsche Gotteserkenntnis“ weiterlebt.

Ein Problem ist, dass Bernard Winter die nach ihm benannte Stiftung gegründet und dem Stadtmuseum unter der Bedingung vermacht hat, dass seine Bilder dort ausgestellt werden, und deshalb finden sich dort immer noch viele Bilder von Winter, überwiegend unkritisch kommentiert. Wenn Winter die Ehrenbürgerwürde – was wir heute ja mit hoffentlich großer Mehrheit beschließen werden – aberkannt ist, muss auch darüber entschieden werden, wie im Stadtmuseum damit weiter umgegangen wird. Bernhard Winter war nicht irgendein Mitläufer, sondern er war ein ideologischer Wegbereiter des Nationalsozialismus. Deshalb wird es höchste Zeit, dass ihm die Ehrenbürgerwürde aberkannt wird. 75 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes ist dies wirklich überfällig.