Die übergeordnete Zielsetzungen des Strategieplans Mobilität und Verkehr sind vor allem Maßnahmen zur Verlagerung von motorisiertem Individualverkehr auf Verkehrsarten des Umweltverbundes. Das sind:

  • Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV),
  • Förderung des Fuß- und Radverkehrs sowie der Sharingangebote,
  • Unterstützung inter- und multimodaler Verkehrsmittelnutzung,
  • Sicherstellung der Erreichbarkeiten sowie der
  • Erhöhung der Barrierefreiheit und Verkehrssicherheit.

Diese Zielsetzungen sind angesichts der Klimakatastrophe und der vom Stadtrat beschlossenen Zielsetzung, die CO2-Emmissionen deutlich zu verringern, völlig richtig. Die dann im Einzelnen von verschiedenen Gutachtern vorgeschlagenen Teilkonzepte werden zum größten Teil diesen Zielsetzungen aber nicht gerecht. Sie verfehlen das Klimaziel in vielen Bereichen.

Die sechs Teilkonzepte sind:

  • Radverkehr
  • Parkraummanagement – Ruhender Kraftfahrzeug-Verkehr
  • Machbarkeitsstudie Wallring: Durchgängige ÖPNV-Spur
  • Mobilitätsstationen
  • Ladeinfrastruktur E-Mobilität
  • Park & Ride (P&R) und Bike & Ride (B&R).

1. Zum Radverkehr:

Die Planungsgemeinschaft Verkehr PGV Alrutz GbR schlägt vor, die Attraktivität des Radverkehrs in Oldenburg zu erhöhen. Dazu sollen die bestehenden Fahrradstraßen (die eigentlich Fahrradvorrangstraßen sind, weil dort der PKW-Verkehr zugelassen ist) besser optisch als Fahrradstraßen dargestellt und der PKW-Verkehr auf Anlieger begrenzt werden. Es sollen auch weitere Fahrradstraßen ausgewiesen werden, z.B. Ehnernstraße oder die Lindenallee. Es werden hier aber auch verschiedene Straßen genannt, die für den PKW-Verkehr die Funktion von Wohnsammelstraßen haben (z.B. Schulstraße und Verlängerung Sandweg) und deshalb wegen des hohen Verkehrsaufkommens tatsächlich ungeeignet sind. Man müsste sie letztlich – wie die Haareneschstraße –  als Fahrradvorrangstraßen ausweisen, was dann aber keinen nennenswerten Effekt hätte.

Außerdem soll – versuchsweise – eine Fahrradzone ausgewiesen werden. Hierzu heiß es, dass das Ziegelhofviertel geeignet wäre.

Schließlich wird vorgeschlagen, die Anbindung Oldenburgs an das Umland für den Radverkehr durch ein Premiumnetz zu verbessern. Diese Vorschläge gehen schon in die richtige Richtung, ihre Wirkung zur Verminderung der CO2-Belastung der Stadt ist aber eher gering.

2. Zum Parkraummanagement:

Durch das Parkraummanagement sollen die Flächen für den ruhenden Verkehr „deutlich verringert“ werden. Sollte es gelingen, durch die anderen vorgeschlagenen Maßnahmen den motorisierten Individualverkehr (MIV) deutlich zu verringern, werden natürlich auch weniger Parkplätze benötigt. Das wird in den Vorschlägen der Büro Stadtverkehr Planungsgesellschaft mbH  Co KG  auch vorausgesetzt (S. 34). Zugleich wird vorgeschlagen, die Verringerung der Parkflächen als „Push-Faktor“einzusetzen, um den Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsarten zu fördern (S. 34).

Hier gilt aber: Sollte aber die Verringerung der Parkflächen in und um die Innenstadt dazu dienen, den MIV weniger attraktiv zu machen, wäre dies nur zu akzeptieren, wenn gleichzeitig alternative Angebote vorgelegt werden, die zum Umstieg vom Auto auf die Verkehrsarten des Umweltverbundes motivieren. Das ist aber nicht erkennbar. Das im Parkraumkonzept angesprochene Teilziel der Vermeidung von Parksuchverkehr wird so nicht erreicht. Im Gegenteil: der Parksuchverkehr wird erhöht, wenn bei geringerer Zahl von Parkflächen der Autoverkehr nicht abnimmt, weil keine attraktiven Alternativen angeboten werden.

Im Teilkonzept Parkraummanagement wird empfohlen, die Parkgebühren im Bereich der Zone 1 schrittweise auf  3,40 € pro Stunde zu erhöhen. Das entspricht nicht den Beschlüssen des Rates. Die Mehrheit des Rates  hatte am 27.02.23  beschlossen die Parkgebühren schrittweise auf 5,20 € pro Stunde anzuheben. Das Gleiche gilt für die Bewohnerparkausweise, die nach dem vorgestellten Teilkonzept in der letzten Stufe auf 250 € pro Jahr erhöht werden sollen. Die Mehrheit des Rates hatte dagegen am 20.03.23 eine Erhöhung bis auf ( nach Länge des Fahrzeuge differenziert) 260 bis 540 € beschlossen. Unabhängig von dieser Differenz gilt aber in jedem Fall, dass eine Kompensation für die damit verbundene Mobilitätseinschränkung nicht dargelegt wird. Unterm Strich bedeutet das dann nur, dass allein der ärmere Teil der Bevölkerung zur Verringerung des PKW-Verkehrs beiträgt.

3. Zur Machbarkeitsstudie Wallring:

Die beauftragte Bernhard  Gruppe ZT GmbH geht entsprechend den Vorgaben der Stadtverwaltung davon aus, dass in Oldenburg ein jährlicher Rückgang im Kfz-Verkehr von 1 % bis 2030 eintreten wird ( S.19), obwohl die Zahl der Kfz-Zulassungen Jahr für Jahr ansteigt. Ob dieser vorausgesetzte Rückgang tatsächlich eintritt, wird nicht begründet. Schon aus diesem Grund ist das Gutachten mit einem große Fragezeichen zu versehen.

Völlig absurd sind die Empfehlungen nach der Wiederöffnung der Cäcilienbrücke den PKW-Verkehr zu verbieten, weil die Gestattung des Autoverkehrs zu mehr Verkehr in der Innenstadt führe. Tatsächlich würde sich der Verkehr aus dem Süden und dem Osten der Stadt in die Innenstadt nicht verringern sondern nur anders verteilen, wenn die Cäcilienbrücke fertig gestellt ist. Gegenwärtig muss die Amalienbrücke diesen Verkehr allein aufnehmen, was schon jetzt zu erheblichen Belastungen für die AnwohnerInnen und in den Spitzenzeiten zu Staus auf der Stedinger Straße führt. Natürlich muss die Verkehrsregelung auf der Straße Am Damm so verändert werden, dass dem Radverkehr mehr Raum geschaffen wird. Eine Tempo-20-Zone für den PKW-Verkehr und den Bus wäre z.B. möglich.

Die Idee der Bernhard Gruppe den Wallring so umzugestalten, dass für die Busse des öffentlichen Nahverkehrs eine eigene Spur auf der ganzen Strecke entsteht, ist grundsätzlich richtig. In Folge dieser Entscheidung wird vorgeschlagen, den Autoverkehr als Einbahnstraße entgegen dem Uhrzeigersinn um die Innenstadt zu führen. Dieser Vorschlag wird aber nicht konsequent umgesetzt, weil man eben nicht vollständig um die Innenstadt herumfahren kann. An der Kreuzung Staugraben/Moslestraße ist nach wie vor kein Linksabbiegen möglich. Das wäre für die Umfahrung der Innenstadt entgegen dem Uhrzeigersinn aber nötig.  Wer also z.B. von Kreyenbrück kommend zur Ofener Straße fahren will, müsste einen Umweg bis zum Pferdemarkt machen und dann die Peterstraße benutzen oder um den Pferdemarkt herumfahren und dann zu der genannten Kreuzung zurückfahren.  Besser wäre es die Kreuzung Staugraben/Moslestraße als Kreisverkehr mit drei Zugängen ( Am Stadtmuseum/ Staugraben/ Moslestr.) und vier Ausfahrten ( Heiligengeistwall/ Staulinie/ Moslestr/ Am Stadtmuseum) auszubauen.

Die als Variante 2 vorgestellte Möglichkeit, den gesamten Verkehr, den gegenwärtig Staulinie und Staugraben aufnimmt, auf die Straße Staugraben zu lenken, ist ziemlich weltfremd, weil dem eine völlig unrealistische Annahme über die Verringerung des PKW-Verkehrs zu Grunde liegt, für die es gegenwärtig keine überprüfbaren Anhaltspunkte gibt.

4. Zu den Mobilitätsstationen:

Die Vorschläge der EcoLibro GmbH  Anreize zum Carsharing und zum Bikesharing zu beschließen, sind durchaus nützlich. Der Aufwand hierfür ist jedoch ziemlich hoch, wenn dadurch ein nennenswerter Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden soll. Die Gutachter schlagen vor, dass allein die Stadt 8,5 Mio. € dafür investieren soll (S.45).

Gegenwärtig kommen auf 2000 EinwohnerInnen ein Carsharing-Fahrzeug. Diese Quote lässt sich erhöhen. Unrealistisch ist jedoch das Ziel bis 2030  14.164 Privat-PKWs durch 990 neue Carsharing-Fahrzeuge zu ersetzen. (S.43).  Eine „Abschaffprämie“ für nicht zwingend notwendige Zweitwagen ist eine gute Idee, aber wohl nur mit Bundesmitteln zu finanzieren. Das Programm der Mobilitätsstationen wird deshalb aller Voraussicht nach nur eine ergänzende Rolle einer umfassenden Verkehrswende spielen können.

5. Zur Ladeinfrastruktur E-Mobilität:

Die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge auszubauen ist sicherlich sinnvoll. Ob damit aber überhaupt ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet wird, hängt davon ab, wie der Strom erzeugt wird. Wenn Strom durch Kohlekraftwerke oder das Verbrennen von Fracking-Gas erzeugt wird, ist für das Klima nichts gewonnen.

6. Zu Park & Ride (P&R) und Bike & Ride (B&R):

Richtig wird erkannt, dass die vorhandenen P&R-Parkplätze nicht angenommen werden, weil sie zu dicht an der Innenstadt liegen. Das Angebot, nach dem Abstellen des PKW einen Bus nutzen zu können, ist auch völlig unattraktiv ausgestaltet. Die bestehenden P&R-Parkplätze sind schlecht ausgeleuchtet, nicht beworben und unzulänglich an das Bus-Angebot angebunden.

Ein richtiges Konzept macht nur Sinn, wenn die P&R-Parkplätze weiter außerhalb liegen, die Busse kostenlos in die Innenstadt fahren die Fahrsequenz erhöht wird, so dass keine lange Wartezeiten entstehen, und auch ausreichend für P&R geworben wird.

Richtig ist der Vorschlag , neue P&R Parkplätze am Stadtrand einzurichten und schon vorhandene Parkplätze bei Einkaufszentren z.B. in Etzhorn einzubeziehen. Das vorgelegte Konzept ist jedoch unzureichend, weil für den Verkehr aus dem Süden der Stadt kein P&R Parkplatz vorgeschlagen wurde.   Das Angebot für Bike & Ride sollte ausgebaut werden.

Zusammenfassung:

Im Gutachten der Büro Stadtverkehr GmbH wird auf Seite 14 anhand einer Grafik sehr anschaulich dargestellt, dass die Zahl des Bestandes der zugelassenen Kraftfahrzeuge in Oldenburg Jahr für Jahr von 2010 bis 2020 von  86.500 auf 100.000 gewachsen ist. Auch die Bevölkerungszahl hat in diesem Zeitraum zugenommen, und zwar  von 158.000 auf 176.000 EinwohnerInnen. Mit einem weiteren Bevölkerungswachstum wird auch die Zahl der PKW-Zulassungen steigen. Es wäre schon eine ehrgeizige Zielsetzung, den Anstieg der Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge zu beenden. Ob dies gelingt oder vielleicht sogar eine Trendumkehr herbeigeführt werden kann, hängt aber nicht allein von kommunalen Entscheidungen ab.

Für die kommunale Seite der Problemlösung wird aber entscheidend sein, dass alle vorgeschlagenen Maßnahmen, die den PKW-Verkehr weniger attraktiv machen (in den Gutachten neudeutsch „Push-Faktoren“ genannt) durch Maßnahmen ausgeglichen werden, die die Mobilität ohne den PKW verbessern. Hieran fehlt es in den Vorschlägen weitgehend. Es gibt keine Vorschläge den Bus-Verkehr durch Tarifsenkungen bis auf Null zur attraktiven Alternative auszubauen. Nicht einmal der schon seit Jahren von den LINKEN geforderte Sozial-Tarif für die VWG-Busse nach dem Vorbild der Stadt Köln wird  aufgegriffen. Die Vorschläge zu P&R-Parkplätzen sind löblich, aber nur sinnvoll, wenn gleichzeitig das kostenlose Fahren in die Innenstadt angeboten und die P&R-Parkplätze attraktiv an das Bus-Netz angebunden würden.

Insgesamt ist das von den verschiedenen Gutachtern vorgelegte Konzept sozial unausgewogen und letztlich auch ungeeignet den CO2-Verbrauch in der Stadt deutlich zu verringern.

Für die Fraktion:  Hans-Henning Adler & Jonas Christopher Höpken